Kinder und Jugendliche: Opfer der Nazis

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Die Kindheit unbeschwert leben zu können, ist der Grundsatz für eine unbefangene und ungezwungene Jugend und das richtige Erwachsen werden. Dies war jedoch zur Zeit des Nationalsozialismus für die jüngsten Betroffen überhaupt nicht oder nur begrenzt möglich.

"... was konnte man den Kleinen vorwerfen: leider sehr wenig oder gar nichts, es handelte sich um Judenkinder und es war anzunehmen, dass die Eltern schon alle hingemordet waren." (Erinnerungen von Dockendorf)

1933 erlebten jüdische Kinder erstmals die Diskriminierung ihrer Mitmenschen in Verbindung mit dem Nationalsozialismus. Sie wurden als "Judenkinder" beschimpft und von der Gesellschaft isoliert.

Die jüdischen Jugendlichen wurden auf offener Straße gedemütigt und schließlich von der nicht-jüdischer Öffentlichkeit getrennt. Sie durften beispielsweise keine Kinos, Schwimmbäder, Jugendherbergen etc. besuchen.

Die nicht-jüdischen Eltern verboten ihren Kindern jeglichen Umgang mit jüdischen Kindern, so dass diese bald keine Freunde oder Bekannte mehr hatten.

Juden durften nur die ersten 4 Klassen der Volksschule besuchen. In den Schulen wurden sie gedemütigt und schließlich "entfernt". Sie mussten auf jüdische Schulen wechseln, so genannte "Zwergschulen". Ab 1942 durften jüdische Kinder nicht mehr am Unterricht teilnehmen. In den Ghettos fand jedoch illegal Unterricht durch jüdische Lehrer statt.

Jüdische Kinder wurden teilweise in Kinderheime gebracht, wo sie getrennt von ihren Eltern leben mussten. Das lag zum einen daran, dass die Eltern ihre Wohnung zwangsräumen mussten und somit in sehr schlechten Verhältnissen lebten, zum anderen waren die Eltern schon ins Ausland gereist, um eine neue Bleibe zu finden. Später sollten ihre Kinder dann nachkommen. Zum Teil wurden aber auch die Kinder ins Ausland vorgeschickt.

Nicht selten waren die Eltern schon Opfer des Faschismus geworden. Jüdische Kinder, unabhängig vom Alter wurden von ihren Eltern getrennt und in Viehwagons in Konzentrationslager transportiert. Kleine und "nicht brauchbare" Kinder wurden bei den Sektionen sofort in Richtung Krematorium verwiesen, der sichere Weg in den Tod. Viele Frauen und Mädchen wurden unfruchtbar gemacht, um so eine Fortpflanzung der "niederen Rasse" zu verhindern.

In den Konzentrationslagern wurden viele Kinder für brutale Experimente missbraucht (Entfernung der Lymphknoten, Spritzung verschiedener Bakterien, Tests bei Zwillingen). Bekannt für diese unmenschlichen Versuche war der Lagerarzt Mengele (Auschwitz) Bevor es in allen Konzentrationslagern Gaskammern gab, mussten sich die Jugendlichen und Kinder totarbeiten oder wurden gleich durch Erschießungen ermordet. Davor mussten sie ihre eigenen Massengräber ausheben. Vor den Erschießungen mussten sie sich meist ausziehen.

Der Jude und ehemalige Häftling von Auschwitz, Hans Frankenthal, berichtet über die Ankunft in Auschwitz. "Die SS ordnete an, dass sich Männer und Frauen getrennt aufstellen sollten. Kinder sollten bei ihren Müttern bleiben. Die Menschen wurden ohne jegliche Zeit zur Verabschiedung auseinandergerissen. (...) Als einer der SS-Männer sah, dass unmittelbar neben Hans Frankenthal und seinem Bruder noch ein Mann mit einem kleinen Kind auf dem Arm stand, stürmte der SS-Mann schreiend auf den Häftling namens Max Rosenstein zu und fragte ihn, ob er denn nicht gehört hätte, dass die Kinder mit ihren Müttern gehen sollten. Daraufhin versuchte Max Rosenstein zu antworten, dass seine Frau schon 4 Kinder beaufsichtigen müsse! Doch unbeeindruckt von dieser Tatsache entriss der SS-Mann Max Rosenstein kurzer Hand das Kind und schlug es am nächsten Telegrafenmasten tot."

Die Lebenserwartung bei Kindern in den Konzentrationslagen lag durchschnittlich bei 1 bis 2 Monaten. Die Überlebenschance der Kinder stand im Verhältnis 1:10. Letztlich starben etwa 1,5 Mio. Kinder.

Beispiel für die Einlieferungszahlen der Kinderhäftlinge: Theresienstadt

Jahr Anzahl
1941 516 Kinder
1942 4955 Kinder
1943 1202 Kinder
1944 (bis zum 30.09.) 734 Kinder

Von den 15 000 Kindern, die in Theresienstadt inhaftiert waren, überlebten den Winter 1944/45 nur 1086 Kinder.

Das Bild des kleinen Jungen aus dem Warschauer Ghetto ist vielen Menschen bekannt, doch was aus ihm geworden ist wissen sicherlich nur wenige.

Vor wenigen Jahren erzählte Zvi Nussbaum, der mit großer Wahrscheinlichkeit jener kleiner Junge mit der Schiebermütze war, von seinen Erlebnissen während der Nazizeit.

Am 13. Juli 1943 wurde Zvi Nussbaum im Alter von sieben Jahren mit seiner Tante und den übrigen Juden des Warschauer Ghettos festgenommen. "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr" sagte damals Jürgen Stroop, SS-und Polizeiführer im Warschauer Ghetto.

Da sie "fremde Pässe" besaßen, wurden sie als so genannte Austauschjuden ins Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. Am 5. Mai 1945 wurde Zvi Nussbaum, als einer der wenigen Überlebenden, von der britischen Armee in Bergen-Belsen befreit.

Daraufhin emigrierte Zvi Nussbaum nach Palästina, dort lebte er 8 Jahre. 1953 zog er in die USA, wo er, motiviert durch die Sprachstörung seines Onkels aufgrund einer Kehlkopfverletzung während seiner Zeit im Konzentrationslager, zum Hals-Nasen-Ohren Arzt promovierte.

Im Wartezimmer seiner Praxis hängen die oben gezeigte Fotographie, sowie viele andere Zeugnisse jener Zeit. Er heiratete und bekam vier Töchter sowie zwei Enkelkinder.

Zvi Nussbaum 1962

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