N E U A N F A N G 



mailto  
Bilder  
 
 
 
 

Weitere Themen:  Kindheit und Jugend;  Flucht-Gefangenschaft-Vertreibung  

Neuanfang

Wie erging es ihnen in der nächsten Zeit?

Am 14. Juli 1946 kam meine Mutter mit meinen beiden Brüdern. Nun wohnten wir mit fünf Personen in dem kleinen Raum. Das war nicht einfach, wurde aber durch die Tatsachen überwogen, dass wir alle den Krieg heil überstanden hatten. Kurze Zeit darauf bekamen wir in der Severinstraße 16 ein größeres Zimmer. Von meiner Familie wusste ich noch immer nichts. Ich ging persönlich zum SMAD (Sowjetische Militäradministration), erhielt aber keine Antworten auf meine Fragen. Mit großer Mühe habe ich ihre Adresse herausbekommen. Ein Stein fiel mir vom Herzen. In der Folgezeit schrieb ich jede Woche einen Brief und nummerierte diese laufend. Auf meine Briefe bekam ich keine Antwort. Was war passiert, ich machte mir große Sorgen. Das Jahr verging, endlich am 12. März 1947, erhielt ich den ersten und zwei Tage darauf gleich den zweiten Brief. Außer allgemeinen Dingen, war auch die Rede von einer Eventuellen Ausreise. Zum Schluß dann nur, dass Ilse verstorben wäre, nichts über die Ursache. In der nächsten Zeit ließ ich mich zum Bahnhof Ventschow versetzen, dort gab es eine Zwei-Raum-Wohnung und einen Garten. Zu einem Zeitpunkt, mit dem ich nicht mehr rechnete, trat dann noch das Unverhoffte ein. Meine Frau, meine Familie kam . Anfang April 1948 erhielt ich von meiner Frau die Nachricht, dass sie im Lager Löbau wären. Am 20. April trafen sie endlich bei mir in Ventschow ein. Groß war die Freude, aber auch der Schmerz. Die ersten Worte meiner Frau waren: "Sei mir bitte nicht böse, dass ich die Kinder nicht mitgebracht habe."

Wie empfanden sie das Wiedersehen?

Es war ein erschüttertes Wiedersehen nach drei Jahren Trennung. Immer wieder gehofft, dann nicht mehr daran geglaubt und nun doch Wahrheit geworden. Nun standen sie vor mir, meine Frau, Sohn Günter, Schwager Willi und meine Schwiegermutter. Plötzlich waren wir eine große Familie. Wir hatten eine Wohnung, allerdings fast leer. Es war nicht einfach, aber das störte uns nicht. Wir hatten uns und das war das Wichtigste. Anfang Januar 1946 wurde Dieter krank. Er rief immer wieder:" Mutti, ich will nicht sterben". Am 7.Januar war auch seine Zeit abgelaufen. Für ihn hatte meine Frau nur noch einen Karton als Sarg. Er wurde auf dem Grab seiner Schwester beigesetzt.

Wie erging es ihnen und ihrer Frau in der nächsten Zeit?

Kann jemand ermessen, was in solchen Momenten in einer Mutter vorgeht, was sich hier alles an Weh und Leid zusammenballt? Aber das Leben ging weiter. Die Lebensverhältnisse fingen an sich etwas zu bessern. Die Deutschen wurden für ihre Arbeit entlohnt. Allerdings wurden im Magazin zuerst die eigenen Landsleute versorgt. Die Deutschen mussten mit dem zufrieden sein, was übrig blieb. Allmählich festigte sich auch die Wirtschaft, wenn es auch sehr langsam ging. Wir bekamen keine Hilfe vom Ausland, uns schenkte niemand etwas, im Gegenteil, es gab Embargolisten, die die Lieferung bestimmter Waren verboten. Inzwischen gab es zwei deutsche Staaten, die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik, die sich wie Feuer und Wasser gegenüberstanden. Wie schwer war es da, mit dem Aufbau voran zu kommen. Es fehlte einfach an allem. Wie stolz waren wir, wenn dann etwas gelungen war. Am 6. Februar 1952 wurde unsere Tochter Ingrid geboren. Damit hatten wir nun doch noch eine Tochter.

Ging es ihrer Frau denn dadurch wieder ein bißchen besser?

Meiner Frau brachte das tatsächlich eine weitere Festigung ihrer Gesundheit, physisch allerdings hatten die Ärzte auch weiterhin große Bedenken. Inzwischen bekamen wir die restlichen Räume unserer Dienstwohnung zugesprochen. Entsprechend der Größe unserer Familie konnten wir uns jetzt wesentlich wohnlicher einrichten. Es ging auch einmählich aufwärts.


 

 
   © 2002 by Kurs GK7