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Bericht eines Zeitzeugen
Ich bin im September 1920 in Polen geboren worden. Vor meiner
Verhaftung lebte ich mit meinen Eltern in Kosztow. Ich erlernte den
Schneiderberuf.
Als ich zum Arbeitsdienst eingezogen wurde, floh ich nach Krakau,
wo ich in einem Kloster für geraume Zeit Unterschlupf fand.
Nach meiner Verhaftung brachten mich die Deutschen ins Montelupich
Gefängnis in Krakau. Von dort wurde ich am 26. Juni 1941 mit 49
anderen Insassen des Gefängnisses in das Konzentrationslager
Auschwitz überstellt. [Anm. d. Red.: In diesem Transport befand
sich auch der ehemalige Bürgermeister von Krakau Dr. Boleslaw
Czuchajowski.] Ich erhielt die Nummer 17378.
Ich mußte in verschiedenen Arbeitskommandos arbeiten: in der
Palitzsch-Kiesgrube, in einem Straßenbaukommando, wo wir schwere
Straßenwalzen ziehen mußten, in Buna-Monowitz, teilweise
auch in den landwirtschaftlichen Betrieben, die dem Lager angegliedert
waren und schließlich auch in der SS-Schneiderei und
Effektenkammer.
Mehrere einschneidende Ereignisse sind mir im Bewußtsein
geblieben, die ich nie vergessen werde. Ich und ein paar andere
Häftlinge mußten täglich Wasser zur SS Wohnsiedlung
bringen. Eines Tages fragte uns Rapportführer Palitzschs Frau,
wie wir von ihrem Mann eigentlich behandelt würden. Als ihr einer
meiner Kameraden die Wahrheit über die Grausamkeit ihres Mannes
erzählte, war sie geschockt. Ich kann mich erinnern, dass die
Frau etwa 2 Wochen später gestorben ist. Ob ihr Tod unmittelbar
mir der Aussage des Häftlings zusammenhängt, kann ich nicht
mit Sicherheit sagen. [Anm. der Red.: Luise Palitzsch starb am 4.
November 1942 an Flecktyphus; Rapportführer Gerhard Palitzsch war
einer der gefürchtetsten SS-Mörder in Auschwitz.]
Ein anderes Ereignis, an das ich mich erinnere, geschah am 11.
November 1943 oder 1944, dem polnischen Nationalfeiertag. Die SS hat
an diesem Tag, offensichtlich um uns endgültig zu demütigen,
360 Polen erschossen.
Und schließlich eine dritte Tatsache, die mir fast das Leben
gekostet hätte: Von einem SS- Mann, dessen Namen ich vergessen
habe, bekam ich einen Tritt von hinten in die Kniekehle. Der Fuß
entzündete sich und ich bekam Phlegmone. Um ein Haar hätte
ich meinen Fuß verloren.
Ich blieb in Auschwitz inhaftiert bis Mitte Jänner 1945 als die
Evakuierungstransporte begannen. Wir wurden zu Fuß bis Loslau
an der tschechischen Grenze getrieben. Von dort fuhren wir 4 Tage lang
in Viehwaggons bis Wr. Neustadt und weiter nach Mauthausen. Ich erhielt
die Nummer 117333. Nach 2 Wochen wurden wir weiter nach Melk
transportiert.
Anfang April 1945 wurden wir mit einem Schiff donauaufwärts bis
Ybbs und dann nach Urfahr bei Linz gebracht. Von dort aus trieb man
uns zu Fuß weiter nach Ebensee, wo wir am 20. April ankamen. Ich
kann mich erinnern, daß wir beim Fußmarsch in einem
Schafstall des Stiftes Lambach und in Gmunden im Hof der Brauerei
übernachten mußten. In Ebensee kam ich offensichtlich
aufgrund meines Berufes, in den letzten Tagen in die Schneiderei.
Vielleicht wird man das nicht glauben, aber ich mußte für
die SS aus Uniformen Steireranzüge anfertigen. Am 6. Mai bin ich
in Ebensee von den Amerikanern befreit worden.
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